Untergegangene Dörfer sind nicht tot. Sie leben weiter in unserer Erinnerung, wie Erzählungen und Gerüchte beweisen. Über Generationen hinweg entstanden Sagen und Legenden. Im Gegensatz dazu stehen schriftliche Urkunden wie Pachtverträge, Rechnungen, Schenkungen. Sie spiegeln Wirklichkeit und Schicksal dieser Dörfer wider. Archäologische Bodenfunde bezeichnen über die Existenz hinaus die Lage des Ortes im Gelände.

Verschiedene Deutungen und Namensgebung – von Erika Müller

Der ungewöhnliche Name „Feldkrücken“ hat zu vielen verschiedenartigen Deutungen Anlaß gegeben:

  1. Die Annahme eines keltisch-ligurischen Ursprungs ist eine Verlegenheitslösung. Die Ligurer siedelten um Christi Geburt in der Umgebung von Genua. Nur wenige westwärts ziehende Kelten hatten Berührung mit ihnen. Kelten haben sich in unserer engeren Region nicht aufgehalten. Auch gab es keine Schrift. Es ist also unwahrscheinlich, dass sie unsere alten Fluß- und Ortsnamen geprägt haben sollen.
  2. Kluge (etymologisches Wörterbuch) gibt an, das althochdeutsche chruckia = Krücke sei verwandt mit kriechen, krum.
  3. Eine ältere Form aus dem Germanischen bezeichnet „Krummstab“, Stab mit einem Haken.
  4. Legt man das Lateinische zugrunde heißt Feldkrücken „Feldkreuz“, abgeleitet von crux, crucis = Kreuz. Damit ist auf eine kirchliche Gründung hingewiesen, wie sie für ähnlich klingende Ortsnamen nachgewiesen ist, z.B. Krotzenburg = Krzuenburg, Kreuzbach = Crucebach, Kruckenburg = Krukenburg 1241 = Cruchenberg 1360.

Um das Jahr 780 tauchte die Bezeichnung „feltcruccha“ auf, allerdings in einem anderen Zusammenhang. Im Urkundenbuch des Klosters Fulda heißt es: „Giselbreht trad. sco. Bon. bona sua in loco Gemunde nuncupato unam uidelicet capturam, quam fluuis feltcruccha tranmeat.“ Wörtlich übersetzt: “Giselbreht überträgt  dem heiligen Bonifatius seine Güter be idem Gemunde genannten Ort, nämlich eine Rodung, die der Fluß Feltcruccha durchfließt.” (Dronke, Cap. 6, Nr. 81) Der Historiker Dronke schreibt dazu ausdrücklich: die Felda, welche bei Nieder-Gemünden in die Ohm fließt. Die Felda heißt also in fränkisch-karolingischer Zeit feltcruccha. In dieser Zeit lag das erste Siedlungsgebiet von Nieder-Gemünden in der Fluß-Schleife. Legen wir den ursprünglichen Wortinhalt zugrunde, heißt der Nieder-Gemündener Flußabschnitt mit Recht Felda – Krümmung/Bogen/Windung. Die erste urkundliche Erwähnung des Dorfes Feldkrücken im Jahre 1344 und die Aufzeichnung des gleichnamigen Flusses 550 Jahre davor lassen sich durchaus auf einen gemeinsamen Nenner bringen: Sind jene Menschen, die zu Bonifatius Zeiten an der Feltcruccha-Ohm-Mündung siedelten, wegen häufiger Überschwemmungen unter anderem auch an den Hang des Kahlofens gezogen, wo sie ihrem neuen Wohnort den Namen ihres heimatlichen Gewässers gaben? Wenig später wiederholte sich dieser Vorgang. Die Menschen mussten ihre Heimat ein weiteres Mal verlassen und gründeten dort das heutige Dorf Feldkrücken.

​​​​​​​Die schriftlichen Quellen

Im Jahre 1344 ist in der Urkunde Nr. 715 des Klosters Arnsburg Grundbesitz in Feldkrücken schriftlich festgehalten. Peter, Sohn des großen Dietrich sel zu Grünberg, verkauft sein Gut zu Velcrucken ante silvam situm (vor dem Wald gelegen), welches Johannes Lysegang bewohnt, an das Kloster Arnsburg für 12 Mark Pfennige (Arnsb. Urk. Nr. 715, Fer ii post trinitatis).

Im Jahre 1350 verzichten Conrad von Trohe und seine Gattin Else auf die Güter zu Buseck…und auf die Güter zu Feldkrücken bei Ermenrod (Arnsb. Repert. Laurentius 10. Aug.) Im gleichen Jahr verkauft Conrad von Grünberg, Bürger und Schöffe zu Marburg, an das Kloster Arnsburg das Recht an zwei Gütern zu „Feltkrucken bi Elpenrode“ (Urk. Kl. Arnsb. Nr. 768,19.8.). Im Jahre 1364, am 15. Juli, verkaufen Volpracht und seine Ehefrau Bechte Güter zu Feltcruckin.

Im Jahre 1366 wird Foltsrucken als Bestandteil des Sedes Ufleyden genannt. Ufleyden gehörte damals zum Verwaltungsbezirk des Mainzer Erzbischofs und seiner Pfarrei St. Stephan (Wurdtwein, Dioecesis Mog. Cap. 3/284). Im Jahre 1382 ging Feldkrücken in das Eigentum hessischer Landgrafen über. Vor Zeugen erklären Berlt von dem Wyers und seine Ehefrau, dass sie ihr Gut zu Feltkrucken an den Junker Hermann, Landgraf zu Hessen, verkaufen.

Wörtlich heißt es: „cwey gut czu Feltkrucken gelegin in deme gerichte czu Gemunden“ (Baur, Urk. Nr. 1137) Nach 1466 soll Feldkrücken bereits wüst gewesen sein.

Den Grund und Boden des Dorfes konnte die Abtei des Klosters Arnsburg nicht mehr länger halten. 1491 musste Arnsburg das Land an das Antoniterhaus in Grünberg abtreten (StaD., Lindenstruths Nachlaß, Univ. Bibl. Gießen Hs. 457 m. N.).

Alte Flurbezeichnungen

Unter Elpenrod heißt es im Salbuch des Amtes Homberg 1587, S 91-96: Wiese in der Feldkruchen, Rode Wiese in der Feldkruchen und dem Fergen zwischen dem Zwilling und… Wiese in der Feldkruchen zwischen dem Kaalofen und dem Eisenberg; 17 alb. von der Wünstung Feldkrucken (Salbuch des Amtes Burg-Gemünden 1582, S. 129, 146).

Sagen und Legenden und ein Brunnen im Wald

Feldkrücken, der Sage nach eine große Stadt, soll von der Pest heimgesucht worden sein. Viele Bewohner kamen um. In der Zeit höchster Not kam ein Vogel mit buntem Gefieder, den niemand kannte und sang: Trinkt Bimbernell und Baldrian. Dann sterbt ihr nicht, kommt bald davon!

Die Menschen folgten dem Rat, die Pest wich bald. Sie zogen fort und gründeten ein neues Feldkrücken. Drei Familien blieben zurück in der alten Heimat, saßen am rauschenden Bächlein und lauschten dem Gesang der Elfen. Die guten Geister luden sie ein zu bleiben, und so gründeten die Leute das Dorf Elpenrod.

Was bleibt darüber hinaus vom Dorf Feldkrücken? Ein paar Scherben einer einfachen, schmucklosen Keramik als archäologisches Zeugnis des 14. Jahrhunderts. Ein Brunnen mit kristallklarem Wasser, nur wenige Meter westlich des Weges im Wald gelegen, und schließlich das neue Feldkrücken als Ausdruck von Lebenswillen und Kraft unserer Vorfahren.

Quelle: „Heimat-Chronik“ Eine Beilage der Oberhessischen Zeitung, 4. Jahrgang 1987, Heft 13, September 1987