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Der Vogelsberg ist Vorreiter: Rund ein Viertel der Windkraftanlagen in Hessen stehen im Kreisgebiet, was nicht alle gut finden. Die Hälfte der hessischen Bergmähwiesen liegt auch im Vogelsberg. Sie werden als gut und schützenswert angesehen. Das ist auch dringend nötig, denn viele Pflanzen und Tiere sind vom Aussterben bedroht. Ein Beispiel für Bergmähwiesen gibt es oberhalb von Feldkrücken.

VB Feldkrücken Bergmähwiesen

Schwarze Teufelskralle und Weicher Pippau, Arnika und Augentrost – wer sich mit Pflanzen auskennt, für den sind die Bergmähwiesen im Naturschutzgebiet (NSG) Melgershain oberhalb von Ulrichstein-Feldkrücken ein wahres Schlaraffenland. Dort stehen seltene, vom Aussterben bedrohte und seit Jahrhunderten als Heilpflanzen genutzte Gewächse. Die Teufelskralle sieht sehr extravagant und intensiv gefärbt aus, Arnika darf nur mit einer gesonderten Erlaubnis gepflückt werden, ist zudem giftig, und Augentrost ist eine bekannte Droge in der Volksmedizin und Homöopathie. Er soll helfen bei Husten, Heiserkeit und Entzündungen der Augenbindehaut. Joachim Schönfeld und Ruben Max Garchow sind jedenfalls als Fachleute bei einem Pressetermin begeistert, Erster Kreisbeigeordneter Jens Mischak, gelernter Jurist, sieht eher den politischen Zusammenhang und weist auf das Abhängigkeitsverhältnis von Mensch und Natur hin: Geht der Mensch mit der Natur pfleglich um, unterstützt er die Artenvielfalt.

Die Artenvielfalt ist ein Merkmal des typischen Landschaftsbildes, und die pflegenden Landwirte bekommen von der Geld für Pflege und gegebenenfalls Ausfall. So haben alle was davon, und die vier Firmen Licher, Hassia, Schwälbchen und Rewe sind unter dem Label »Natur ist gut« mit im Boot: Mit Geld und bei der regionalen Vermarktung. Auf diese Weise wird Vogelsberger Natur ebenso vermarktet wie über die Vorstellung des Bergmähwiesenpfads an der Herchenhainer Höhe bei einer Journalistenreise – darunter zwei bundesweit vertretene Medien. Die Vogelsberger Bevölkerung macht nur rund 0,135 Prozent der Bundesbürger aus, da sind 3,5 Prozent vergleichsweise viel: So hoch ist immerhin der Anteil der 1000 Hektar Bergmähwiesen im Kreis am Bundesvorkommen. 

Eine Bergmähwiese ist das Ergebnis einer extensiven Bewirtschaftung der Wiesen durch die Landwirtschaft: Das bedeutet relativ späte Mahd und wenig bis kein Stickstoffdünger. Das Ergebnis sind eine große Anzahl von blühenden Kräutern bis hin zur Orchideenart Berg-Waldhyazinthe.

Die Wiesen im NSG Melgershain stellen einen repräsentativen, hochrangigen Landschaftsraum der Berg-Mähwiesen am Rande des Hochplateaus und des Oberwaldes dar, im westlichen Teil dieses Gebietes gibt es zahlreiche Quellbäche der Sausel und Rauchel, die in die Ohm münden. Mit insgesamt rund 20 Hektar Bergmähwiesen im NSG, davon 2,4 Hektar im hervorragenden Zustand, Borstgrasrasen und weiteren Lebensraumtypen, sowie der wertvollen Artenausstattung, insbesondere Rotmilan, Neuntöter und Rhön-Quellschnecke, zählt dieser Komplex »Am Melgershain bei Feldkrücken« zu den hochwertigsten im Vogelsberg.

So weit Pflanzen und Tiere: Aber was hat der Mensch davon? Als Wanderer kann es sich am Anblick erfreuen, als Landwirt hat er bei Wiesenbetreuung und Arbeit für das Naturschutzgroßprojekt Vogelsberg ein zusätzliches Auskommen. Denn wenn er nicht düngt und später mäht, um dem Pflanzenwuchs eine Chance zu geben, hat er Qualitätseinbußen beim Heu. Das gleicht der Staat aus. Und das Fleisch von Rindern, die auf den hochwertigen Wiesen grasen, soll besonders schmackhaft sein. Schließlich werden die wertvollen Wiesenflächen auch mit Mähdreschern abgeerntet (zweimal im Jahr, um alle Samen zu erfassen), die Samen zur Aussaat andernorts genutzt.

Eine Düngerbeschränkung haben sich die Feldkrücker Landwirte übrigens schon immer auferlegt: Die Wiesen am Melgershain waren einfach zu weit weg, um sie mit Güllefässern und Streuwagen anzusteuern. Jetzt haben die Wiesen oben einen Vorsprung vor den seither gedüngten im Tal. Bis die Düngerwirkung verfliegt vergehen immerhin zehn bis 20 Jahre…